Pflanzen und Menschen

Nicht nur die Pflanzen an sich sind spannend. Auch die Menschen, die sich für sie begeistern, sind von einer ganz besonderen Typologie.

Auf Englisch bezeichnet man sie als „Plantsmen“. Der Autor Duane Isely hat ihnen sein lesenswertes Buch „One hundred and one Botanists“ http://(https://www.amazon.de/One-Hundred-Botanists-Duane-Isely/dp/0813824982) gewidmet.

Er hat ihre Lebenslinien von Aristoteles (384- 322 a. Chr. n.) bis zu den Botanikern des 20. Jahrhundert in knappen Portraits skizziert.

Interessant sind auch die bisweilen kuriosen Umstände, mit denen Botaniker auf Forschungsreisen zu Tode kamen. Darüber kann man in der Artikel-Serie „How they died“ der renommierten botanischen Zeitschrift „Taxon“ lesen.(https://onlinelibrary.wiley.com/journal/19968175).

Wilfrid Blunt und seine „Scientia amabilis“

Pflanzen-Verrückte sind Menschen, denen die „Pflanzenwelt im Gemüte rast“ 

Wenn Pflanzen süchtig machen, sind nicht immer Rauschdrogen im Spiel.  „Die Pflanzenwelt rast in meinem Gemüte“ hat Goethe einer Freundin geschrieben. Und ist es nicht so: Wen das Botanik-Virus einmal erwischt , der wird es für gewöhnlich ein Leben lang nicht mehr los.

Am  unkonventionellsten und vielleicht auch interessantesten sind die reinen Liebhaber, die ihren Lebensunterhalt auf ganz andere Weise bestreiten.

Unter ihnen sind Garten-Enthusiasten, Pflanzen-Fotografen, Maler und Zeichner, Bibliophile, Floristen und Pflanzen-Begeisterte noch weitaus anderer Couleur.

Diese Leidenschaft macht vor keiner Berufsgruppe Halt. Ich kannte einen Lokomotiv-Führer und einen Leiter einer Bank-Filiale, die beide große Kenner waren.

In einer südwestdeutschen botanischen Arbeitsgemeinschaft sind Lehrer, Edelsteinhändler und ein Schuhmachermeister die führenden Köpfe.

Wilfrid Blunt (1901 - 1987)

Der feinsinnige Wilfrid Blunt 

Der Brite Wilfrid Blunt (1901-87) war ein „plantsman“ par excellence, der hauptberuflich als Kunsthistoriker arbeitete. An Pflanzen interessierte ihn buchstäblich alles. In seinem Buch „Of flowers and a village“ – an entertainment for flower lovers“ gibt er Einblicke in seine Passion.

Blunt verfasste gemeinsam mit William T. Stearn  eine Geschichte der Pflanzenillustration (The art of botanical illustration; https://www.botanicalartandartists.com/book-review-the-art-of-botanical-illustration-by-wilfrid-blunt.html) und eine sehr erfolgreiche Linné-Biographie (The Compleat Naturalist: A Life of Linnaeus;  https://www.goodreads.com/book/show/1676146.Linnaeus). Er hat aber auch über den „Hortulus“ des Abtes Wahlafrid Strabo und über den bayerischen Märchenkönig Ludwig den Zweiten publiziert.

Zwei jüngere Brüder Blunts waren gleichfalls den schöngeistigen Dingen zugetan, und einer von ihnen erlangte noch in anderer Hinsicht Berühmtheit. Anthony Blunt war ein herausragender Kunsthistoriker und Kurator der königlichen Gemäldegalerie. Gleichzeitig war er ein erst in den 1970er Jahren enttarnter Doppelagent für den KGB und den MI5 in Großbritannien.

Aber das ist eine andere Geschichte, und die liest sich spannender als die meisten Spionage-Romane.

„Of flowers and a village“

Als sein „alter ego“ Wilfrid Sharp portraitiert Blunt die Menschen eines fiktiven Dorfes, dessen Vorbild sich leicht als sein Wohnort Compton, Guildford identifizieren lässt. Dort war er als Kurator einer Gemälde-Galerie (Watts Gallery) angestellt.

Das Dorfleben wird im Verlaufe eines Gartenjahres in Briefen an eine fiktive Nichte namens Flora erzählt. Vordergründig  geht es um das Wachsen und Gedeihen in den Pflanzbeeten, aber nebenbei nimmt Blunt alias Sharp die Einwohner des beschaulichen Nestes gründlich aufs Korn.

Blunt bezeichnete sein Werk als ein „frivolous book about flowers“. Es ist in der Tat geistreich, liebenswert, amüsant und vor allem sehr britisch. Blunt würzt seine Betrachtungen mit Anekdoten aus der Pflanzenwelt und der botanischen Wissenschaft.

So erfährt der Leser von einer Brennnessel, die Linné persönlich vor 200 Jahren in die Pflanzenpresse legte. Sie nesselte noch 1942 spürbar, als das Herbarium und die Bibliothek des „Natural History Museum“ evakuiert wurden.

Leichtfüßig wechselt der Autor zunächst zu der extrem stark nesselnden tropischen Elefanten-Nessel oder Mealumma (Dendrocnide sinuata) und dann weiter zum Poison-Ivy (Toxicodendron radicans) im Botanischen Garten von München. Das dort aufgesuchte Exemplar war zum Schutz der Besucher in einem Käfig untergebracht.

An anderer Stelle bezweifelt er die Legenden um die Auferstehungs-Pflanzen (=Resurrection plants, z.B. Anastatica hierochuntica).

Seitenhiebe auf die wissenschaftliche Botanik

Sharp alias Blunt spart nicht mit Seitenhieben auf die wissenschaftliche Botanik.

„I only hope I shan´t make too many enemies through it in the botanical world“, sorgt er sich. Nachdrücklich klagt er über das Nomenklatorische Komitee der „Internationalen Botanischen Gesellschaft“. Er bescheinigt dem Gremium ein weltfremdes Gebaren bei der Benennung von Pflanzen und belegt dies mit Beispielen. So echauffiert er sich darüber,  dass das Komitee die fehlerhafte Benennung des Blauregens als Wistaria statt Wisteria nicht zu korrigieren bereit ist, obwohl der Botaniker Nuttall doch ganz sicher einen Herrn Wister mit der Namen-Vergabe ehren wollte.  

Blunt plädiert für eine verlässliche, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Benennung von Pflanzen. Mit dieser Position ist er nie allein gewesen, und inzwischen ist man diesen Kritikern mit dem Projekt  „names in current use“ ein wenig entgegen gekommen.

Den Eifer mancher Botaniker,  jeder wissenschaftlichen Neubewertung der Phylogenie einer Pflanze eine Umbenennung folgen zu lassen, kommentiert Sharp alias Blunt mit:

„The right names of flowers are yet in heaven”.

v

Bildergalerie

Weitere Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.